Einen kurzen Moment, bitte …

Konzeptionelle Gedanken

Kindergarten Reggio-Kinderhaus

Mit dem Ausbau des Kindergartens im Reggio-Kinderhaus von Knaddeldaddel e.V. an der Feuerkuhle zog im Sommer 2015 eine neue Form der Kinderbetreuung ins Haus ein. Zu den bereits fest verankerten Kleinkindgruppen, sind es nun auch die über dreijährigen Kinder, die ihren Platz hier finden. Sie bekommen die Gelegenheit, sich ganz ihrer Individualität entsprechend zu entwickeln und werden als eigenständige, partizipatorische Persönlichkeit angesehen.

Hilf mir, es selbst zu tun“

Im Gruppenalltag geht es darum, den Kindern ein verlässlicher Partner/in und „Gehilfe/in“ zu sein während der einzelnen Entwicklungsschritte. Durch das Einbeziehen in die alltäglichen Abläufe und die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen, werden die Kinder in ihrer Entwicklung zur Selbstständigkeit unterstützt. Die Kinder werden dazu ermutigt, ihre Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnisse in allen Kompetenzbereichen durch immer neue Anforderungen zu erweitern und diese gekonnt an andere Kinder weiter zu geben. Sie treffen zum Beispiel als Tageskind Entscheidungen für die gesamte Gruppe, lernen diese Entscheidungen dann zu vertreten und werden mit Blick auf die Sozialkompetenz dabei begleitet. Ebenso wird im Bezug auf die Sozialkompetenz ein großes Augenmerk auf Themen wie zum Beispiel die Entwicklung von Freundschaften, das ‚Füreinander sorgen‘, Missmut tolerieren, sich gegenseitig trösten und Freude teilen gelegt. Auch der richtige Umgang mit Konflikten gehört zum alltäglichen Miteinander. Die Kinder erwerben die Handhabungswerkzeuge und Strategien, die sie benötigen, um selbstständig Konflikte lösen zu können.

Erkläre mir und ich vergesse –

Zeige mir und ich erinnere mich – Lass es mich tun und ich verstehe“

Zum alltäglichen Ablauf gehört auch die Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt. Ob bei Ausflügen, Besuchen in der Bibliothek oder bei Einkäufen, die Kinder werden bei den Aktionen mit einbezogen. Sie erlernen altersorientiert zum Beispiel die einzelnen Schritte der Organisation und Planung, bis hin zur Durchführung und Nachbereitung. Einzelne Umwelt- und Naturvorgänge können bewusst beobachtet und wahrgenommen werden. Daraus abgeleitete Fragen werden dann innerhalb der Gruppe besprochen und erforscht.

 

Bildungs- und Erziehungsarbeit brauchen

„Beziehung – Zeit – Ruhe – Vielfalt“

Raumangebot:

Die Gruppenräume des Kindergartens werden als Multifunktionsräume verwendet. Die Kinder sind selbst tätig, da sie frei zugängliches Material für sich finden. Sie haben die Möglichkeit sich innerhalb der Funktionsräume in kleinen Gruppen oder auch alleine intensiv zu beschäftigen.

Durch die Raumstrukturen wird den Kindern eine Umgebung geschaffen, die sie auf ganzheitliche Weise in ihrer Entwicklung vorantreibt. Sie können:

motorische und koordinative Fähigkeiten und Fertigkeiten erproben und verfeinern (Grob- und Feinmotorik, Kraft, Schnelligkeit, Koordinationsfähigkeit, Reaktion, Rhythmus, Differenzierung usw.)

Bewegungserfahrungen sammeln

verschiedene Raum-Lage-Positionen im Bezug auf den eigenen Körper erfahren, sowie auf Objekte der Umgebung auf Grund der Hochebenen

erkennen und erstellen von Figuren und Mustern

ein grundlegendes Mengenverständnis erlernen und Zählkompetenz

sich spielerisch mit dem Erfassen von geometrischen Formen auseinander setzen

eigene Gestaltungs- und Ausdruckswege entdecken (z.B. zeichnend, malend, bildnerisch-plastisch, mimisch, gestisch, sprachlich usw.)

sich mit einer Vielzahl von kreativen Materialien, Werkzeugen und Techniken auseinander setzen

sich auseinandersetzen mit dem eigen Körpergefühl zum Beispiel im Nassbereich (Körpererfahrungen beim Wickeln, Schamgefühle, Experimente mit Wasser oder Rasierschaum usw.)

in verschiedene Rollen schlüpfen und Perspektiven der Anderen übernehmen, sowie Erlebtem einen Raum zur Verarbeitung geben

 

Die Kreativwerkstatt

Die Kreativwerkstatt wird als ein Raum der bildnerischen Sprache angesehen. Kreativität und Phantasie bilden eine zentrale Rolle in den Entwicklungsprozessen der Kinder und erlauben ihnen über die Grenzen hinweg zu sehen. Sie können sich mit verschiedenen Materialien ausprobieren, können kombinieren und zusammenfügen – ihre Gedanken und Gefühle in Form bringen. Dazu stehen ihnen verschiedene Bereiche zur Verfügung: ein Bereich für das Malen an der Staffelei / Gestaltungswand; ein Bereich zum Schneiden und Kleben; eine große freie Fläche um auch auf großem Papier zu malen, ob am Boden oder auf dem Tisch; eine Spiegelwand und kleine Spiegel, um sich mit dem eigenen Bild auseinander zu setzen; Ton oder Knete für plastische Arbeiten; Werkzeuge; ein für das Kind zugängliches Wasserbecken…

Den Kindern wird zu der handwerklichen Fertigkeitsbildung die Chance geboten, ein Grundverständnis dafür zu entwickeln, dass „Schönheit“ genau wie „Hässlichkeit“ nur eine mögliche Form der subjektiven Wahrnehmung ist und dass diese im entscheidenden Maße vom sozialen, familiären und kulturellen Umfeld geprägt ist. Vorlagen oder gar Schablonen können zum Teil einengend wirken, während die freie Gestaltung Raum lässt für Individualität und Einzigartigkeit.

 

Das Spielzimmer

Das Spielzimmer setzt sich zusammen aus mehreren Bereichen und hat unterschiedliche Aufforderungscharaktere. So werden das Rollenspiel, das Bauen und Konstruieren, die sprachliche Entwicklung durch Bücher und das soziale Miteinander gleichermaßen angesprochen. Hochebenen und Podeste bieten ebenfalls die Möglichkeit unterschiedlichen Situationen einen Raum zu geben. Während sich alle Gruppenmitglieder auf einem Podest treffen können für ein Plenum, bei dem die Partizipation des Kindes und das Einbringen eigener Ideen der Kinder im Vordergrund steht, kann das Podest im gleichen Maße eine wichtige Rolle spielen beim Bauen und Konstruieren von Häusern oder Türmen. Es kann als Bühne benutzt werden oder als Rückzugsort. Die Küche mit einer realistischen, alltagstauglichen Ausstattung und die Verkleidungsutensilien geben den Kindern Raum, um bereits Erlebtes nach zuspielen oder zu verarbeiten. Genauso können unsichere Situationen und Gefühle im Schutze des Rollenspiels erprobt werden. Durch das frei zugängliche Material setzen sich die Kinder spielerisch mit Formen, Farben, Materialien, Alltagsgegenständen und Regeln auseinander, denn:.

Spielen ist Lernen“

 

Der Waschraum

Der Waschraum wird angesehen als ein Raum für Körpererfahrungen. Er dient nicht nur der nötigen Körperpflege, sondern ist ein Lehrer für Wahrnehmung und Körpergefühl. Durch ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Kind und dem Erwachsenen ist es möglich soziale Empfindungen und alltagspraktische Abläufe in einen Kontext zu stellen. Die Kinder haben die Möglichkeit durch Waschrinnen ihrem Grundbedürfnis bezüglich des Umgangs mit Wasser nach zu gehen. Sie können experimentieren und sich dann über die Ergebnisse austauschen. Spiegel in verschiedenen Positionen geben den Kindern zum Einen Sicherheit beim Wickeln, da sie sich bei diesem intimen Moment sehen können, zeigen ihnen zum Anderen aber auch eine realistische Sicht auf sich Selbst und ihren Körper. Körperteile und Proportionen können begutachtet und Unterschiede zu anderen Kinder festgestellt werden. Die niedrigen Toiletten laden selbst kleinere Kinder ein und verringern so die Hemmschwelle. Die Selbstständigkeit der Kinder wird dadurch gefördert und bringt ihnen Wertschätzung und Akzeptanz ihrer körperlichen Situation entgegen.

 

Das Esszimmer

Das Esszimmer als Genussraum und Begegnungsstätte. Hierzu gehört nicht nur ein ästhetisch gestalteter Essbereich, sondern auch eine ästhetische Präsentation der Speisen. Auf eine gesunde und nahrhafte Ernährung wird großen Wert gelegt, so gehören Obst und Gemüse zur täglichen Mahlzeit dazu. Die Kinder werden in alle Abläufe mit einbezogen und lernen so nicht nur für sich, sondern auch für andere Kinder Sorge zu tragen. Beim gemeinsamen Decken des Tisches werden zum Beispiel durch Zählspiele mathematische Grundelemente gelegt. Beim Schneiden und Vorbereiten der Obst-und Gemüseplatten setzen sich die Kinder unter anderem mit gesunder Ernährung, dem Anrichten von Lebensmitteln, dem richtigen Umgang mit Küchenutensilien und der Arbeitsplatzhygiene auseinander. Der gemeinsame Beginn und das gemeinsame Ende vertiefen die Beziehungsebene und stärken die sozialen Kompetenzen.

 

„ …von Frage zu Frage lernen…“

 

Die Projektarbeit

Die Projektarbeit ist eines der zentralen Themen in der Reggio-Pädagogik. Sie wird oft als ein direktives Angebot verstanden, wobei direktiv arbeiten heißt, den Kindern vorzugeben, was sie tun sollen. Durch wahrnehmende Beobachtungen und der Grundeinstellung, das alles was ein Kind sagt auch eine Bedeutung hat, entsteht eine Dynamik, die es den Kindern ermöglicht durch unkonventionelle Wege Lernerfahrungen zu machen. Der Erzieher/in ist dabei jedoch nur ein partnerschaftliches Bindeglied und begleitet das Projekt auf seinem Weg. Er selber weiß nicht wohin die Reise geht, denn das Kind bestimmt den Weg. Individuell und im stetigen Austausch werden die Ergebnisse besprochen und analysiert. Genaues Hinhören und Hinterfragen ermöglicht es dem Pädagogen, auch kleine Reize und Interessen der Kinder aufzugreifen und zu vertiefen. Die Kinder werden ermutigt selbst Lösungen zu finden und Orte zu suchen, an dem sie die benötigen Antworten bekommen. Ideen wie beispielsweise in Büchern nach Antworten zu suchen, Eltern oder andere Erwachsene zu fragen und in Geschäften nach zu sehen, können auch zukünftig Lösungsmethoden für die Kinder darstellen. Die Dokumentation spielt bei der Projektarbeit eine wichtige Rolle. Sie ermöglicht den Kindern einen Blick zurück zu werfen, um sich wieder neu zu fokussieren. Ebenso können die Kinder anhand der Dokumentation Lernerfahrungen kommunizieren und an andere unbeteiligte Kinder weiter geben. Sie ist wertschätzend.

(Februar 2016)